In seinem furiosen Buch COLOSSAL YOUTH von 2011 berichtet der Fotograf Andreas Weinand aus dem Innersten einer Clique von jungen Menschen. Diese sind getrieben von einem unersättlichen Hunger nach dem Leben. Sex & Drugs & Punk’n’Roll. Zum Rausch der Utopie wird der Kater gleich mitgeliefert. In wenigen Bildern, die bereits Ende der achtziger Jahre entstanden sind, wird das Ungestüme, das Maßlose der Jugendlichen, die einen alternativen Lebensentwurf pflegen, skizziert. Das Buch lässt den Betrachter am Ende mit leichter Verstörung zurück. Einen Lebenswurf ganz anderer Art zeigt Andreas Weinand in seinem jüngsten Buch THE GOOD EARTH.
Archiv des Autors: Peter Lindhorst
Oliver Sieber. Imaginary Club
Hereinspaziert in den Imaginary Club! Wie viele Nächte hat sich Oliver Sieber um die Ohren geschlagen? Wie viele Drinks hat er zu sich genommen? Welche Musik hat er dabei gehört? Auf welche Weise hat er wohl die Leute angesprochen und ihnen sein ungewöhnliches Anliegen vorgetragen? Wie viele Leute haben ihm eine Absage erteilt? Wie viele sind direkt aus dem Dunkel des Clubs vor seine Kamera getreten?
Den Imaginary Club gibt es nicht. Der ist nur erfunden, wie der Name schon verrät. Oder doch – es gibt den Imaginary Club. Der ist überall: in den großen Metropolen Los Angeles, New York, Tokio, manchmal auch in kleinen Städten in Finnland oder Deutschland. Oliver Sieber führt uns den Club als einen Ort der sozialen Utopie vor, der für einen bestimmten Augenblick der Welt vor der Tür einen eigenen konzentrierten Moment entgegensetzt, wie es Mercedes Bunz einmal formuliert hat. Weiterlesen
Just another boring photo book list!
Abgerechnet wird am Schluss! Der Listenwahn grassiert – same procedure as every year. Fotobuchlisten…Listen…und noch mehr Listen. Die opportunen Reaktionen darauf: zumeist Überdruss und Gemurre. Ist das alles zu viel des Guten? Andreas Herzau etwa schreibt in seinem Blog: „Meine Vermutung geht dahin, dass die Verfasser dieser Listen sich selbst adeln wollen und eine geschickte Form von Eigen-PR betreiben.“
Lord Michael (Buchhandlung im Haus der Fotografie) und Sir Peter (Photonews-Blogbuch) streicheln also ihr Ego und suchen aus 600 Titeln ihre Lieblingsbücher heraus. Äußerst subjektiv und immer ein wenig abseitig. Weiterlesen
Christopher Capozziello.
The Distance Between Us
Dieser Blick lässt einen nicht los. Er gräbt sich tief ins Gedächtnis. Augen, so unendlich traurig und müde. Es ist der Moment nach dem Martyrium einer weiteren schweren Operation, die Nick hat über sicher ergehen lassen. Mit einer bizarren Schutz-Ummantelung um seinen Kopf blickt er uns an.
Fanpost 9:
Harry Gruyaert – Roots
Eine neue Fanpost, heute von dem Hamburger Fotografen Axel Martens, der sich für das Buch “Roots” des MAGNUM-Fotografen Harry Gruyaert begeistert. Axel Martens selbst arbeitet für Redaktionen und Werbung. Am liebsten ist er im Porträtbereich tätig. Er ist Mitbegründer und Veranstalter von klubfoto in Hamburg. Weiterlesen
Fanpost 8: Ekaterina Anokhina – 25 Weeks of Winter
Endlich wieder eine Fanpost im Blog, die heute von Michael Kollmann kommt, der tagtäglich mit dem Fotobuch zu tun hat. Er bekleidet in Wien die Stelle als Fotobuchkurator bei Peter Coeln im WestLicht(Museum) und OstLicht(Galerie). Im Museum baut er das Medium Fotobuch vermehrt in das Ausstellungsprogramm, während er in der Galerie die öffentlich zugängliche Fotobuchbibliothek mit 25.000 Büchern betreut. Michael Kollmann ist u.a. für die Ausstellung zur legendären “Camera” Zeitschrift von Allan Porter im letzten Jahr verantwortlich gewesen. Der Buchexperte ist Mitorganisator des ViennaPhotoBookFestivals, das erstmals erfolgreich in diesem Sommer stattfand. Sein neuestes Projekt heißt “Publisher in Residence”, in dem er jeweils einem Independent Verlag die Möglichkeit bietet, für die Dauer von drei Monaten sein Gesamtprogramm in der angeschlossenen Buchhandlung zu präsentieren.
Jim Mangan. Color’d. / Bastard Child.
Sandwolken explodieren. Körner umwirbeln nackte Körper. Mein Favorit der diesjährigen “Visual Leader” Ausstellung ist die Serie „Bedu“ des Amerikaners Jim Mangan. Sie ist der Abschluss einer Trilogie, die nach Aussagen ihres Schöpfers den Themenkomplex „Wiedergeburt“ behandelt. „Bedu“ ist eine sehr surreal anmutende Arbeit, in der es – wie in seinen beiden vorausgehenden Serien – um Naturverbundenheit, um Freiheit und Enthemmung geht. Nacktheit als archaische Grunderfahrung und Metapher der Lossagung von allen gesellschaftlichen Konventionen. Magnans Arbeiten wirken wie das süße Versprechen auf eine Utopie der Freiheit. Und dennoch ist sein Ansatz ein viel zurückhaltender als der eines Ryan McGinley, der mit ähnlichen Sujets arbeitet und bei dem die Lebenswelt seiner Protagonisten authentisch aussehen soll, dabei aber sehr kalkuliert rüberkommt. Weiterlesen
Joakim Eneroth. Swedish Red
Dunkelrot die Lettern auf dem Buchcover. Statt eines Einleitungstextes eine Kolonne mit Buchstaben-Zahlen-Kombinationen: S-1080R, S1080-Y90R, S-1085Y80R, S1575-R10B etc. Hierbei handelt es sich um Farbbezeichnungen eines standardisierten Referenzsystems, mit dem sich Rottöne definieren lassen. Etwa jene Rottöne schwedischer Holzhäuser.
„Faluröd“ heißt die meistgenutzte Dispersionsfarbe, mit der viele der Häuser in Schweden gestrichen werden. Sie besteht aus Eisenoxid-Pigmenten, die seit Jahrhunderten als Nebenprodukt des Kupferabbaus in der schwedischen Stadt Falun gewonnen werden. Ein einfach herzustellendes Naturprodukt mit dem Vorteil, einen äußerst beständigen Schutz gegen das oft nasskalte Wetter zu bilden. Kein Wunder also, dass das Rot der beherrschende Fassadenfarbton unserer Nachbarn im Norden ist. Als Betrachter blickt man entzückt auf die unterschiedlich rotgefärbten Fronten jener typischen Holzhäuser, die einem aus diversen Kinderbüchern, gemalten Szenen von Carl Larsson, Möbel-hauswerbung und ZDF-Filmschmonzetten nur allzu vertraut sind. So können die roten Außenwände als Projektionsfläche dienen, um unsere vagen Sehnsuchtsvorstellungen nach einem von Natur und Folklore geprägten Land bzw. einem intakten Wohlfahrtsstaat zu speisen. Weiterlesen
Kurt Dornig. Über Buchgestaltung
Mir passiert es immer wieder, dass mir Fotobücher in die Hände fallen, bei denen ich unmittelbar merke: es knirscht. Inhalt und Form finden überhaupt nicht zueinander. Man hätte besser daran getan, einen Experten ranzulassen, der entsprechende Erfahrung auf dem Feld der Buchgestaltung mitbringt. Etwa jemanden wie Kurt Dornig, der Graphikdesigner und Illustrator ist und sein Studio in Dornbirn/Österreich betreibt.
Zufällig kam ich vor einiger Zeit mit ihm ins Gespräch, als er mich zu einem Buch befragte, von dem ich noch nie gehört hatte und das mich unmittelbar neugierig machte. Daraus entspann sich sogleich ein intensives Gespräch, in dessen Verlauf ich mich mit meinem Gegenüber über Materialien, über Gestaltungswerkzeuge, über falsch verstandenes Design und umgekehrt über besonders gelungene Bücher austauschte. Weiterlesen
Rinko Kawauchi. Ametsuchi.
Rinko Kawauchi ist zu beneiden. Sie hat Träume, die sich von selbst zu verwirklichen scheinen. Bereits als Kind träumte sie davon, außergewöhnlich Bücher machen zu wollen. Das ist ihr jetzt wieder mal eindrucksvoll gelungen. Das Thema des neuen, wunderbaren Buches geht ebenfalls auf einen konkreten Traum zurück, den die japanische Fotografin vor langer Zeit hatte – einen mächtigen, unheimlichen Traum. Als sie ein halbes Jahr später vor dem Fernseher saß, erkannte sie dort ein Bild des Traumes wieder. Die Szene bestand aus Menschen und Pferden, die sich auf einer grünen Wiese vor einem großen Berg befanden – an einem Ort namens Aso. Die Fotos des neuen Buches sind, man ahnt es, in jenem Aso, einer Stadt im Süden Japans, aufgenommen. Das letzte Bild zeigt tatsächlich eine grüne Hügellandschaft, in der sich Menschen und Pferde befinden. Weiterlesen
Piergiorgio Casotti.
Sometimes I cannot smile.
Auf dem grauen Leineneinband blickt uns ein blutroter Beelzebub entgegen. Ein Dämon mit großem Schlund, der uns in die Hölle mitreißt, wenn wir das Buch aufschlagen. Elvira sagt: „Ich versuche, Spaß zu haben, aber manchmal kann ich nicht lachen.“ Und Upaluk Poppel vom „Inuit Circumpolar Youth Council“ wird zitiert: „Wenn die Bevölkerungen von Kanada, Dänemark oder den USA vergleichbare Selbstmordraten hätten, würde dort der innere Notstand ausgesprochen.“ Weiterlesen
Cristina De Middel. Self Publish, Be Happy Book Club Vol. III
Gerade angekommen – das neue titellose Buch von Cristina De Middel.
Drücken wir also auf den Knopf der Hypemaschine? Auf Amazon gibt es derzeit Exemplare von “Afronauts” für $ 3300,-. Jenes selbstpublizierte Buch über eine halb reale, halb fiktive Space-Geschichte, in der ein Lehrer aus Sambia sein eigenes Raumfahrtprogramm in den 60er Jahren zu initiieren versuchte und scheiterte. Sicher, ein sehr schönes Buch in 1000er Auflage ist daraus entstanden, mit kleinen Zugaben, etwa einem faksimilierten Zeitungsauschnitt, Skizzen etc. Dass “Afronauts” aber dennoch solch extreme Aufmerksamkeit generierte, war nie absehbar und hat selbst die Fotografin überrollt. Das Buch war rasend schnell ausverkauft war und wird zu exorbitanten Preisen im Netz gehandelt (s.o.), Cristina de Middel erhielt für ihre Serie u.a. eine Nominierung für den Deutsche Börse Photography Prize und gewann den ICP Infinity Award. Soeben ist das neue Buch der spanischen Fotografin bei „Self Publish Be Happy“ erschienen. Weiterlesen
Sarah Hildebrand. Verlassene Orte
Fast schon obligatorisch: die Erstellung einer Vorzugsausgabe, mit der Fotografen die eigentliche Buchproduktion subventionieren. Der Kreativität ist dabei keine Grenze gesetzt. Ein besonders schönes Beispiel ist die Edition von Sarah Hildebrand zu ihrem kürzlich erschienenen Buch „Verlassene Orte“, die ich gerade in der Buchhandlung für Photographie in Hamburg entdeckt habe. Weiterlesen
Marco van Duyvendijk & Xiaxiao Xu. Love Doll Factory
Die Form spiegelt den Inhalt. In Pergament eingewickelt, erreicht mich ein dünnes Büchlein aus den Niederlanden. Zugeklebt mit einem rosafarbigen PVC-Klebeband. Nimmt man das Buch heraus, hält man ein Softtouch-Cover in der Hand. Das ist eine Art Gummilaminierung, die für ein angenehmes Gefühl in der Hand sorgt. Auf dem Cover selbst ist ein abstraktes Knäuel aus merkwürdigen rosa Würmern abgebildet. Weiterlesen
Famose Künstlerbücher aus der Redfoxpress
1958 ist das Jahr, in dem die Weltausstellung in Brüssel mit ihren zukunfts-weisenden Visionen Millionen Menschen aus aller Herren Länder lockt. Der damals 11jährige Francis van Maele besitzt eine Kodak Brownie, mit der er auf den Parkplätzen rund um das Atomium herum streift und mit kindlichem Eifer die exotischen Autos ausländischer Besucher ablichtet. Ihn faszinieren die unbekannten Marken mit den fremdländischen Autoplaketten. Seine Bilder entstehen nach dem immer gleichen Kompositionsprinzip: er richtet seinen Apparat auf das Heck eines Autos, während im Hintergrund Teile der Stadtlandschaft zu erkennen sind.
Viele Jahre danach gräbt der mittlerweile als Verleger tätige Francis van Maele die vergessenen Fotos wieder aus und überlegt, wie eine geeignete Präsentationsform dafür aussehen könnte. Als eine Art Kladde kommt das kleine Büchlein daher: mit krakeliger Handschrift sind unter den sepiagefärbten Fotos die Herkunftsorte der Gefährte auf dem linierten Papier vermerkt. Nur eine der wunder-baren Kostbarkeiten von Redfoxpress, die ich gerade in der Buchhandlung im Haus der Photographie / Hamburg entdeckt habe! Weiterlesen